Leo war im Green up Your Future-Workcamp. Gerade hat er sein Studium zum Wirtschaftsingenieur abgeschlossen und ist nun auf Jobsuche. Für ihn steht fest: In Zeiten des Klimawandels muss es etwas mit Nachhaltigkeit sein. Eine neue Studie zur Bedeutung der Artenvielfalt für die Wirtschaft bestärkt ihn darin.
Der indisch-britische Ökonom und Mathematiker Partha Dasgupta hat sich mal wieder zu Wort gemeldet. Der Cambridge-Professor ist einer der führenden Vordenker der Umweltökonomie und sorgt mit seinen Forschungen zur Wohlfahrtsmessung und zur Nachhaltigkeit immer wieder für Aufsehen und heftige Debatten.
Mit seinem jüngsten Report The Economics of Biodiversity* legt er uns nun auf 610 Seiten neue Gedanken zur Rolle der Artenvielfalt für unser Wirtschaftsleben vor und schlägt damit hohe Wellen.
Wer da reinliest, merkt schnell: Das ist eine Menge Holz. Womit wir auch gleich beim Thema wären. Holz ist einer der ersten natürlichen Rohstoffe, den sich der Mensch zu Nutze gemacht hat. Um damit Feuer zu entfachen, Schiffe zu bauen und Dämme zu errichten. In den Worten von Wirtschaftswissenschaftlern: Mit den Mitteln der Natur wird gewirtschaftet, es werden neue Technologien entwickelt, es wird Energie gewonnen und Handel betrieben. Andererseits: Grenzenloses Wachstum auf endlichen Ressourcen aufzubauen, ist ein Widerspruch in sich.
Lange konnte die Natur unseren Rohstoffkonsum auch kompensieren, bis dann Industrialisierung, Weltkriege und exponentielles Bevölkerungswachstum zu einem Umdenken im Wirtschaften führten. Nachdem das Nachkriegs-Europa praktisch neu aufgebaut werden musste, gleichzeitig in weiten Teilen Asiens, Südamerikas und Afrikas die Entwicklung immer wieder durch Hungerkatastrophen gebremst oder abgewürgt wurden, hatten Ökonomen ihre Modelle vor allem an Kapital und Arbeitskraft ausgerichtet. Das Ziel: schnellstmöglich Wachstum zu erzeugen und den Lebensstandard weiter Teile der Bevölkerung anzuheben. Das ist in Teilen auch gelungen. Ganz ehrlich: Im Vergleich zu den Generationen vor uns, geht es uns in den Industrieländern sehr gut.
Trotzdem fehlt ein entscheidender Faktor in diesem Ansatz: nämlich die Berücksichtigung der Natur und der Artenvielfalt als Grundlage für alles – für das Leben wie für das Wirtschaften.
Dasgupta fasst das sinngemäß so zusammen: Wir leben gleichzeitig in der besten und schlechtesten aller Zeiten. Denn unser Wirtschaften hebt den Lebensstandard und treibt gleichzeitig die Natur an ihre Grenzen und darüber hinaus. Die Temperaturen und die Meeresspiegel steigen, die Permafrostböden und ihre gewaltigen Methaneinlagerungen tauen auf, die Meere dienen als Müllhalden und Arten sterben in dramatischer Geschwindigkeit aus. Dasgupta fordert deswegen, Ökonomie und Natur nicht mehr getrennt zu betrachten, sondern Modelle zu formulieren, die den Menschen und sein Wirtschaften in die Natur einbetten. Ohne Natur keine Ökonomie – so einfach lautet die Formel, die uns Dasgupta an die Hand gibt.
Statt des Bruttoinlandsprodukts, so der Forscher, sollte man ‚Inklusiven Wohlstand‘ als Maß für wirtschaftlichen Erfolg betrachten. Das ist eine Größe, die nicht nur Preise und Löhne beinhaltet, sondern eben auch Gesundheit, Lebensräume und Zugang zu unberührter Natur. Und wie soll die Welt in diese neue Balance kommen? Für Dasgupta führen vier Wege zum Ziel: Erstens weniger konsumieren, zweitens weniger Kinder bekommen, drittens die Natur effizienter nutzen, zum Beispiel durch Gentechnik und durch geringeren Fleischkonsum. Und viertens in die Natur investieren, etwa für besseren Naturschutz und Wiederaufforstung.
In jeder dieser Handlungsempfehlungen steckt jede Menge Krawallpotenzial. Dennoch ist die Botschaft von Dasgupta klar und unmissverständlich: Die Wirtschaft, das Wohlergehen und unser Lebensraum hängen davon ab, wie wir die Natur behandeln. Momentan sind wir soweit, dass wir das komplexe System Erde Richtung Abgrund drängen und so riskieren, Kipppunkte zu überschreiten. Und dann gibt es kein Zurück mehr. Es braucht eine radikale Neupositionierung unserer Art des Lebens und Wirtschaftens.
Um zu unserem Ausgangspunkt zurückzukommen: Wenn die Wälder nicht mehr in der Lage sind, genügend Holz und Luft zum Atmen zu produzieren (und CO2 zu binden), ist es schnell dahin mit technologischem Fortschritt, uneingeschränktem Zugang zu Energie, erneuerbaren Bau- und Faserstoffen und prosperierendem Handel. Wir setzen also nicht nur die Natur aufs Spiel, sondern den Wohlstand, in dem wir leben. Und dann heißt es schnell für alle auf dem Planeten: Game over.
Ihr seht also, wer etwas für den Planeten und die Artenvielfalt als Grundlage allen Lebens und Wirtschaftens tun will, sollte seine Entscheidungen konsequent an der Nachhaltigkeit orientieren. Und das nicht nur in klugen Sprüchen oder einem flotten widerborstigen Post. Grüne Jobs sind wichtig wie nie. Machen wir was draus. Es ist schließlich unsere Zukunft.
*„The Economics of Biodiversity – The Dasgupta Review“ – hier findet Ihr den Report als kostenlosen Download